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17. Mai 2010  

“Gezieltes Töten” unbekannter Personen — Obamas Strategie in Pakistan?

[Update: 30.09.2011]

Die CIA soll in Pakistan Drohnen-Angriffe auf Menschen ausführen dürfen, auch wenn sie keine Informationen über sie hat


"…but boys, don’t get any ideas. Two words for you: predator drones.
You will never see it coming. You think I’m joking?"

— Barack Obama, "joking"
(2010 White House Correspondents Association dinner)
[1]
 

Medienberichten zufolge soll die Obama-Regierung der CIA einen umfassenden Freibrief für Drohnen-Angriffe in Pakistan ausgestellt haben[2]. Danach wäre es dem Geheimdienst erlaubt, Mordanschläge auch auf unbekannte Personen, quasi nach Gutdünken, auszuführen.

Auch sonst müssen keine konkreten (Geheimdienst-)Informationen über die Zielpersonen vorliegen. Ob sie überhaupt "Kämpfer" sind, irgendeine akute Bedrohung darstellen (für die Drohne?), oder ob es sich um unschuldige Zivilisten handelt, wäre damit noch weniger relevant als bisher. Stattdessen entscheidet das "Bauchgefühl" einiger Agenten vor einem Monitor über Leben und Tod vor Ort.

Mit der "dramatischen Ausweitung" dieser illegalen Angriffe (es gab keine Kriegserklärung gegen Pakistan), die bereits gegen Ende der Cheney-Bush-Regierung begannen, aber erst unter Obama[3] zu voller Entfaltung gebracht wurden, wäre in Pakistan nunmehr jede beliebige Person potentiell zum Abschuß freigegeben. Planer und Ausführende solcher ferngesteuerten, regelmäßig in blutigen Massakern endenden Anschläge blieben demnach straflos und wären wohl nicht einmal rechenschaftspflichtig bezüglich ihrer Entscheidungen. — Wird hier die Strategie eines unverhohlenen Staatsterrorismus’[4,5] zur "Standard Operation Procedure" und zum integralen Bestandteil der US-Außenpolitik gemacht? Unter Barack Obama?
 
In der Wochenendausgabe von Counterpunch bemerkt die Autorin Jayne Lyn Stahl dazu unter anderem:

Does law enforcement randomly fire into a concert hall because there’s a mass murderer inside? Does that not make us the mass murderer? [...] Also, can anyone making the argument that this is standard operating procedure on the battlefield come up with even one shred of evidence that the enemy is striking back? [...] This might be a bit old fashioned, but is it combat if only one side is killing the other? Don’t at least two parties have to be involved for it to be a battle? [...] [T]his ongoing, technically illegal war in Pakistan not only permits intelligence agents to fire on anonymous targets with impunity turns, but it turns the clock back 800 years to a time when there was no Magna Carta, and no accountability for war crimes.[6] 

 
Seit Beginn der Drohnenangriffe auf Pakistan sollen in dem Land bereits nahezu 1000 Personen auf diese Weise mehr oder weniger gezielt getötet worden sein[7]; andere Quellen sprechen allein für das Jahr 2009 (d.h. seit Obamas Amtsantritt) von 700 Toten[8], die Mehrzahl davon unschuldige Zivilisten. Auch letzte Woche gab es wieder 34 Opfer.

On June 22 [2009], the US struck at a house officials called a “suspected militant hideout,” burying a few locals inside. When others rushed to the scene to rescue them, they launched another missile, killing 13 apparently innocent Pakistanis. When they held a funeral procession on June 23, the US hit that too, ostensibly on the belief that [Pakistani Taleban commander] Baitullah Mehsud might be among the mourners. He wasn’t, but the attack killed at least 80 more people.[8]

 
Die für die Ausführenden äußerst bequeme, sichere und effektive Vernichtungsmethode wird zukünftig weitere Begehrlichkeiten wecken, und weitere Schranken werden fallen. Schon jetzt nimmt die US-Regierung auch eigene Staatsbürger ins Visier. Nach einem Bericht der New York Times hat die Obama-Administration die Ermordung des radikalen Geistlichen Anwar al-Awlaki autorisiert[9], der US-Bürger ist und sich zur Zeit in Jemen aufhalten soll. Auch in diesem Fall soll eine CIA-Drohne zum Einsatz kommen. Absurderweise bedarf es dazu (im Gegensatz etwa zu einer Telefonüberwachung) nicht einmal eines juristischen Prozederes — was im "Homeland" dann doch ein gewisses "Unbehagen" ausgelöst hat.
Update: Am 30.9.2011 berichten die Agenturen, daß al-Awlaki im Jemen getötet worden ist. "Unbenannte US-Offizielle" bestätigen das, geben jedoch keine Details. Auch Quellen wie die BBC betonen, daß US-Präsident Obama die Ermordung des Geistlichen persönlich in Auftrag gegeben haben soll.[10]

 
Quellen / Anmerkungen: 
 
[1] Obama drone joke: Was it offensive?" (Washington Post, 03.05.2010)

[2] CIA allowed to kill terrorist suspects without identification (Sydney Morning Herald, 07.05.2010) 
 
[3] vgl. dazu: Vom "Führer der Welt" zum "Sprecher der Welt"Update (29.10.2009)

[4,5] Zum Begriff Staatsterrorismus (nicht zu verwechseln mit dem des Staatsterrors) siehe z.B. hier und hier.
 
[6] aus: No Papers Required for CIA Hit List (Counterpunch, 14.-16.05.2010)
 
[7] Unerklärter Krieg gegen Pakistan (junge Welt, 14.05.2010)
 
[8] US Killed 700 Civilians in Pakistan Drone Strikes in 2009 (antiwar.com, 02.01.2010)
 
[9] U.S. Approval of Killing of Cleric Causes Unease (New York Times, 13.05.2010)
 
[10] Islamist cleric Anwar Awlaki ‘killed in Yemen’ (BBC, 30.09.2011)

Weitere Links:

Ground the drones now! (CodePink: Women Say No To War)
Zahlen und Fakten sowie Online-Petition an Präsident Obama

Tariq Ali, The Obama Syndrome: Surrender At Home, War Abroad.
Verso (2010), 168  Seiten, Hardcover (engl.)

   

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