Öffentliche Petitionen im Bundestag: Neue Fristen
Der Petitionsausschuß (PA) des Deutschen Bundestages hat eine Verfahrensänderung bei Online-Petitionen beschlossen, die ab 2012 in Kraft tritt: Die Frist zum Erreichen des Quorums für eine öffentliche Verhandlung wird um eine Woche verlängert; gleichzeitig verkürzt sich aber die gesamte Mitzeichnungsfrist um zwei Wochen. Beide Fristen werden damit identisch und betragen vier Wochen.
Die bisherige Regelung sah vor, daß ab Erreichen von mindestens 50.000 Mitzeichnungen in den ersten drei Wochen nach Onlinestellung die Petition im Regelfall in öffentlicher Sitzung verhandelt wird, wo der Petent Rederecht hat. Die Petition konnte insgesamt aber sechs Wochen lang mitgezeichnet werden — wobei die letztliche Zahl von Mitzeichnungen der Petition mehr oder weniger "Gewicht" verleihen soll.
Mit der neuen Regelung wird zwar die Hürde für eine öffentliche Verhandlung etwas herabgesetzt, insgesamt aber die Mitzeichnungsfrist, die auch an eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit der Petenten gekoppelt sein muß, überproportional gekürzt. Bei verschiedenen größeren Petitionen der letzten Zeit ließ sich allerdings beobachten, daß gerade in den letzten Wochen oder sogar Tagen oft ein signifikanter Schub an Mitzeichnungen erfolgte, wogegen es in den ersten Wochen eher mäßigen Zulauf gab. Das mag unter anderem auch an einem "Anlaufeffekt" liegen, denn i.allg. braucht öffentliche Aufmerksamkeit eine Weile, um sich in individueller Wahrnehmung zu manifestieren und diese wiederum in Meinungsbildung und letztlich in Aktion. Gleichzeitig dürfte dieser Prozeß aber nichtlinear verlaufen, d.h. je stärker ein Anliegen bereits in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, umso schneller und massiver erfolgt die Mobilisierung. Dies ist aber naturgemäß oft erst zu einem späteren Zeitpunkt nach der Onlinestellung der Petition der Fall.
In der Pressemitteilung des PA wird die Regeländerung etwas beschönigend folgendermaßen dargestellt:
"So wurde die Mitzeichnungsfrist zum Erreichen des Quorums als Option für eine öffentliche Beratung von 50.000 Unterstützern um eine Woche auf nunmehr vier Wochen verlängert. [...] Damit trägt der Ausschuss auch den Wünschen vieler Petenten und Diskussionsteilnehmer Rechnung.
Bisher sind die Fristen noch zweigeteilt, was immer wieder in der Öffentlichkeit zu Verwirrungen führte. In der alten Regelung hat sich der Petitionsausschuss im Jahre 2005 verpflichtet Petitionen, die bei Einreichung bzw. innerhalb von drei Wochen ab Einreichung von mehr als 50.000 Menschen unterstützt werden, grundsätzlich in einer öffentlichen Sitzung mit dem Petenten zu erörtern. Insgesamt konnte dennoch sechs Wochen mitgezeichnet und diskutiert werden. [...]
Die neue Frist gilt ab 1. Januar 2012. Danach können alle im Internet veröffentlichten Petitionen vier Wochen mitgezeichnet und diskutiert werden."
http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2011/pm_1111161.html
Ob und wie sich diese Änderung auf das "Gewicht" von Petitionen auswirken werden und ob es dabei zu einer Benachteiligung von Petenten kommen kann, die über weniger Ressourcen zur Verbreitung und Bekanntmachung ihres (möglicherweise wichtigen) Anliegens verfügen, bleibt abzuwarten. Generell haben Petitionen ohnehin keinen bindenden Charakter. Auch die öffentliche Verhandlung kann übrigens vom PA mit Zweidrittelmehrheit unterbunden werden.
Nachsatz und Rückschau: OpenAccess-Petition
Nach fast genau zwei Jahren hat der PA die Prüfung der Petition zur kostenlosen Verfügbarmachung von Wissen, das mit öffentlicher Förderung generiert wurde ("Open Access"; s. Blog-Eintrag dazu hier), am 5.12.2011 abgeschlossen. Die Mitzeichnungsfrist endete am 22.12.2009. Der Entschluß des PA, die Petition als Material für künftige Gesetzgebung an die Bundesregierung und die Fraktionen im Bundestag weiterzuleiten, kann zusammen mit der Begründung unter dem entspr. Link in der Status-Spalte der Petitionsseite nachgelesen werden.
Der PA folgt damit zumindest dem Hauptanliegen der Petition und würdigt diese zudem als "zu den bisher am meisten beachteten Öffentlichen Petitionen" gehörend. Es wird außerdem ersichtlich, daß auch die Anzahl und Argumentationen in den Diskussionsbeiträgen zur Petition bei der Prüfung berücksichtigt wurden. Ebenso wurden ähnlich angelegte Petitionen "wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung unterzogen", d.h. gebündelt behandelt — eine Praxis, die nicht unbedingt immer im Sinne der Petenten ist.
(Generell ist der PA allerdings nicht verpflichtet, seine Entscheidungen zu begründen. So wurde zum Beispiel unlängst eine Petition gegen Abgeordneten-Bestechung zwar zugelassen, ihre Veröffentlichung als Online-Petition aber begründungslos abgelehnt.)
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