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28. April 2007  

“Die Wünsche der Wirtschaft sind unantastbar” – Protestaktion im Bundestag

Wie unter anderem der Netzeitung und dem Spiegel zu entnehmen ist, gab es gestern eine Protestaktion im Bundestag, bei der sowohl an der Außenfassade als auch im Plenarsaal Transparente entrollt wurden, deren Botschaft unmissverständlich die Lage im Lande auf den Punkt bringt:
„Der deutschen Wirtschaft” wäre in der Tat die passendere Inschrift für jenes Gebäude, in dem die Interessen „des deutschen Volkes” nachweislich nicht ver- sondern höchsten mit Füßen ge-treten werden. Dementsprechend lautete die Botschaft des zweiten Transparentes (wer lesen kann, ist klar im Vorteil, liebe Pressesprecher des Bundestages!):

„Die Wünsche der Wirtschaft sind unantastbar” – eine ebenso simple wie brilliante Anspielung auf Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes der BRD (nachzulesen auf den Seiten des Bundestages,
eine Erläuterung findet sich bei Wikipedia).

Obwohl also die Botschaft der Aktion recht einfach zu verstehen ist, scheinen der Bundestag und die deutsche Presse erhebliche Verständnisschwierigkeiten zu haben. So heißt es allerorten lediglich, „der Hintergrund der Aktion [sei] unklar”, und man(n) beeilt sich, schnell das Thema zu wechseln: Hammelsprung und Abstimmungsunfähigkeit mangels Anwesenheit der Abgeordneten. Aha – auch nichts Neues, dass die gewählten Vertreter des Volkes offenbar etwas besseres zu tun haben, als an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen. Aber, und das mag des Rätsels Lösung sein: ihr Arbeitsplatz ist ja offensichtlich ohnehin nicht das „Demokratiespiel-Gebäude”, sondern die Entscheidungen werden Unter den Linden und an anderen Orten des Lobbyismus ausgehandelt: mit der Wirtschaft, nicht mit dem Volk.

Daher: Bravo AktivistInnen! – gut gemacht!

Falls jemand Genaueres weiß, bitte posten …

   
OppoSight | 09:00 | Aktuelles,Medien,Politik | 7 Kommentare | Druckansicht  

7 Kommentare » Eigenen Kommentar schreiben

  • 1. unentwegt  |  29.04. 2007, 10:40

    Interessant ist, dass die Protestaktion allerorten als “Eklat” tituliert wird, was die negative Konnotation ja gleich mitliefert. Jetzt mal nur sehr überzogen rumgesponnen: hätten die Plakate Inhalte wie “Wir lieben unsere Wirtschaft!” und “Prima, macht weiter so, wir vertrauen euch blind!” gehabt und wären die Zwei im Gebäude mit roten Nelkensträußen zwischen den Zähnen von der Zuschauertribüne in den Plenarsaal gesprungen mit der festen Absicht, diese den Anwesenden für ihre aufopferungsvolle Arbeit für “Das Deutsche Volk” zu überreichen, dann hätte niemand das Wort “Eklat” auch nur gedacht und die “Zeit” und Andere hätten sich auch einen anderen Ausdruck als “Ausnahmezustand” für diese Art von Bekundung der “Volks”Meinung ausdenken müssen … Meinung ist eben nicht gleich Meinung.

    (Ob irgend jemand in diesem Falle mal auf die Idee gekommen wäre, die “Fans” auf ihren Geisteszustand zu überprüfen, bleibt vorerst dahingestellt. Wahrscheinlich wäre dann viel eher von den Gefahren, welche durch die Ausstrahlung von Sendungen wie “Deutschland sucht den Superstar” auf die “Deutsche Leitkultur” kommen können, fabuliert worden – allerdings wohl auch nur aus einer anderen politischen Ecke heraus.)

    Aber stimmt: dass der Bundestag nicht beschlussfähig war, weil nicht einmal die Hälfte der Abgeordneten auftauchte, gehört in der Tat eher in die Kategorie “Skandal” (per Wikipedia-Definition eine länger anhaltende Folge von Ereignissen im Gegensatz zum eher singulären Eklat), was nur niemandem mehr auffällt, weil das schon so zur Gewohnheit geworden ist.

  • 2. OppoSight  |  29.04. 2007, 11:34

    Es ist doch viel bequemer, die Protestaktion unter “Eklat” zu subsummieren, also dem in allen Berichten dominierenden, wenngleich hintenangestellten Bericht über die Beschlussunfähigkeit “einzuverleiben”. Und derlei “Eklats” sind ja in der Tat nichts Neues, erregen also weniger Aufmerksamkeit (behaupte ich ‘mal): Klassenziel erreicht. Beinahe jedenfalls ;-)

  • 3. unentwegt  |  29.04. 2007, 12:13

    Warum habe ich nur den Eindruck, dass diese Beschlussunfähigkeit ohne die Protest-Aktionen erst gar nicht so an die Öffentlichkeit gedrungen wäre? Für mich wirkt die eher ein bisschen “hinten drangeklatscht”, weil das nach den Aktionen gar nicht mehr anders ging …

  • 4. unentwegt  |  29.04. 2007, 12:58

    Hab’ ich gerade im Forum zum Artikel in der Süddeutschen Zeitung (http://www.sueddeutsche.de/,tt1m5/deutschland/artikel/918/111807/) gefunden:

    “”Aktion „Der Bundestag ist gescheitert”
    26. April 2007 in Allgemein

    Junge politische Menschen setzen ein Zeichen vor und in dem Bundestag. Die Betitelung der Aktivisten als „Humankapital“, das Verstreuen von Geld und das Entrollen von Bannern mit Sprüchen wie „Die Wünsche der Wirtschaft sind unantastbar“ sollen verdeutlichen, dass der Bundestag lediglich das Ausführungsorgan der großen Unternehmen ist und keine freiheitliche, demokratische Institution darstellt. Dieses Bild wird dadurch verstärkt, dass auf dem Dach des Reichstags der Schriftzug „Dem deutschen Volke“ durch das Banner „Der deutschen Wirtschaft“ ersetzt wird. Ziel dieser Aktion ist es, einen Diskurs anzustoßen, der die Scheindemokratie kritisch hinterfragt und mit Vehemenz gesellschaftspolitische Veränderungen durchsetzt. Wir fühlen uns durch die Größe der Probleme zu dieser Aktion genötigt.”"

    http://geldoderleben.blogsport.de/2007/04/26/geld-oder-leben

    Das ist direkt von denen, die die Aktion durchgeführt haben.

  • 5. el commandante  |  01.05. 2007, 00:28

    danke für diesen artikel, interessant, in österreich ists nicht anders. traurig aber wahr. sobald sie im parlament auf ihren pöpschen sitzen, dreht es sich nur mehr ums sesselkleben und die macht /der wirtschaft/ an sich. wir sind für sie kostenfaktoren auf 2 beinen. nicht mehr und nicht weniger. gibts für das fremdwort “politik” überhaupt eine deutsche entssprechung. nein, glaub ich nicht, man müßte es umständlich beschreiben. leider “kapitulieren” immer mehr und gehen nicht mehr (ab)wählen…..würd mir so eine aktion auch fürs österreichische parlament wünschen….da blockieren sich nur mehr zwei parteien gegenseitig in der großen koalition. die spö hat ihre seele verkauft um den bundeskanzler zustellen. die wichtigsten ressorts gingen an die konservativen (finanz, äußeres, inneres, wirtschaft)

    ich “borg” mir deinen artikel dankenderweise für die ZNZ aus….

    liebste grüße aus wien

    haltet die ohren nicht steif, sondern flexibel im gegenwind….das ist gesünder…..für die ohren, die brechen sonst ab, nein….rückgrat ist wichtig….kicher*

  • 6. el commandante  |  26.05. 2007, 17:26

    hallotschi!!!!!!!!!

    stimmt es, daß die arschlöcher briefe von der polizei von und an globalisierungsgegner abgefangen haben lassen??????? soll ich doch nach heiligendamm kommen und euch unterstützen und mit mir ein paar freunde?!? bitte ruftmich unbedingt an, ich komme zur zeit nicht auf unentwegts seite…ich bete für euch…ich stehe an eurer seite, ich schütze euch….ihr seid wichtig….

    umarmung
    thomas

  • 7. OppoSight  |  26.05. 2007, 19:17

    @ commandante:

    ja, das stimmt, die artikel findest du hier:

    Telepolis
    taz
    Die Welt

    je mehr menschen nach heiligendamm kommen, um so besser. es gibt auch einen sonderzug von attac, der von wien fährt: link.

    weiteres ggf. per mail, okay?

    lieben gruß!
    st

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