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27. September 2007  

Das Rätsel der plötzlichen Aufregung um Myanmar (“Birma”)

Einseitig-kritische Gedanken zum Geschrei um die nächste Diktatur

Das Rätsel der plötzlichen Aufregung um Myanmar, dessen kolonialistischer Name Burma bzw. Birma ist, ist vielleicht ungefähr so zu lösen: Der Westen braucht einen neuen Nebenschauplatz auf den Titelseiten, um von seinem eigenen Kriegs-Treiben abzulenken – innen- wie außenpolitisch: Kriegsvorbereitungen gegen Iran, Kolonialkriege in Irak und Afghanistan, "Friedenstruppen"-Entsendung nach Zentralafrika und in den Tschad, wo es wie immer um viel, viel Öl geht; dem entspricht innenpolitisch der Abbau demokratischer Grundrechte zugunsten von totaler Überwachung im Namen des "War on Terror" sowie der Krieg gegen das wachsende Heer der Armen – die polizeistaatliche Aufrüstung gegen jeden Widerstand, jede außerparlamentarische Opposition. Die Kriege von heute sind immer auch vor allem eines: mediale Kriege um die Meinungshoheit.

Die Strategie, sich zur geopolitischen Einflussnahme religiöser Kräfte zu bedienen, ist nicht neu – man durfte sie bereits während des Kalten Krieges beobachten: nicht zufällig war der damals eingesetzte Papst ein Pole – einer aus dem Ostblock also. Nun – was eignet sich auch besser als ausgerechnet buddhistische, also "per se friedliche" Mönche, auf die geschossen wird, um lauthals entrüstet des Westens bröckeliges Image als Hüter der Demokratie etwas aufzupolieren.

Ein anderer Punkt im Schachspiel um die Welt: dem mächtigen China muss – bei aller wirtschaftlichen "Liebe" – offenbar ‘mal wieder dezent gezeigt werden, wo der Hammer hängt. Die USA hätten sowieso schon lange gern einen Stützpunkt in Myanmar, das – mit seiner Grenze zu China und am Golf von Bengalen gelegen – geostrategisch extrem interessant ist: perfekt, um China zu stören und ggf. Flottenverbände mit Flugzeugträgern im Indischen Ozean zu positionieren, was für eine "Umzingelung" Vorderasiens* (oder konkreter: einen Blitzkrieg gegen Iran) praktisch wäre. Zu dieser Richtung passt auch Bush’s Favorisierung Japans für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Merkel, die wohl selbst zu gern diejenige wäre, welche Deutschland einen solchen lang ersehnten Sitz verschafft, dürfte von Bush’s diesbezüglicher Ablehnung wenig begeistert sein. Da ist Merkels Empfang des Dalai Lama ausgerechnet im Bundeskanzleramt – also in seiner Doppel-Funktion als Oberhaupt der von China nicht anerkannten tibetischen Exilregierung _und_ als hoher buddhistischer Würdenträger – kaum Zufall; das Timing stimmt perfekt, und China zeigt sich "verstimmt" – na so was! Und flugs überflügelt Merkel vor der UN-Vollversammlung Sarkozy noch im Säbelrasseln mit Blick auf Teheran, und heraus kommt Einigkeit im Ruf nach Sanktionen gegen Myanmar*. Der Blätterwald rauscht freudig – und präsentiert kahlköpfige Mönche vor Flammen, das macht sich prima und zieht garantiert.

Abschließend einige Worte zur Einseitigkeit meiner Kritik: a) besorgen den anderen Teil bereits (fast) alle anderen und b) füge ich hinzu, dass ich als Ex-DDR-Bürgerin durchaus keine Sympathien für diktatorische Regimes hege, dem Westen allerdings jegliche Berechtigung zur Kritik abspreche, solange er gleichzeitig eine immer stärker ausgeprägte Notstands-"Demokratie" im eigenen Herrschaftsbereich praktiziert. Und solange die sogenannte Kritik an – leider realen – Menschenrechtsverletzungen lediglich als Vorwand für geopolitische, sprich: neo-koloniale Interessen dient und außer acht lässt, dass die meisten der kritisierten Regimes sich nur in Folge des Kolonialismus etabliert haben bzw. etabliert wurden.

* http://de.wikipedia.org/wiki/Vorderasien
** http://www.focus.de/politik/ausland/birma_aid_133926.html

   

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